Kesselhaut: Der Klang eines Lebens, laut und wahr gelebt

„Ihr hört nicht nur eine Platte. Ihr lernt einen Mann kennen.“ Das schrieb ich in mein Notizbuch, nachdem ich die finalen Master von „Kesselhaut“ gehört hatte, dem neuen Album von Adam Kesselhaut — einem Berliner Songwriter, Vater, Studio-Visionär, widerwilligen Erwachsenen und unverbesserlichen Romantiker.

Das ist nicht nur Musik. Es ist ein Geständnis. Es ist Verführung. Es ist Therapie. Es ist Chaos. Es ist ein Mann, der versucht, mit seinen 50 Jahren, zwei kleinen Töchtern, einer Partnerin, die er zutiefst respektiert (und mit der er arbeitet), einem legendären Studiokomplex, den er leitet, und einem Teil von sich selbst, der immer noch glaubt, dass Lieder alles verändern können, Frieden zu schließen.

Willkommen bei Kesselhaut.

Aus der Asche von BEWAKE, ein neu entfachtes Feuer

Beginnen wir damit, wo all diese Energie herkommt: BEWAKE Studios.

Für die Unwissenden ist BEWAKE (kurz für Bewake Studios) eine dieser Berliner Untergrundlegenden, die erfunden klingen, bis man sie betritt. Eine windschiefe, heilige Klangkathedrale, versteckt in der Forster Straße. Graffiti an den Wänden, Magie in der Luft und die Geister nächtlicher Sessions, die immer noch in den Dielen vibrieren.

Adam ist seit Jahren dort eine feste Größe und hat mit jedem gearbeitet, von internationalen Chartstürmern bis hin zu 13-jährigen TikTok-Stars wie FIA. Doch bei Kesselhaut geht es nicht um die Künstler, die er bekannt gemacht hat. Es geht um den Mann hinter dem Mischpult, der endlich vor das Mikrofon tritt — nicht als ehemaliger Opernsänger, Hit-Schreiber im Hintergrund oder als weiser Produzent. Nein. Diesmal ist es persönlich.

Wer zum Teufel ist Kesselhaut?

Es ist der Name auf seinem Briefkasten. Ein Name, den seine Töchter mit Stolz tragen. Ein Name, der sowohl zu deutsch als auch nicht deutsch genug ist, zu schwierig auszusprechen und zu einprägsam, um ihn zu vergessen.

Adam Kesselhaut lebt seit 25 Jahren in Deutschland — lange genug, um die Sprache zu sprechen, aber zu kurz, um sich jemals ganz angepasst zu fühlen. Seine Musik spiegelt diese Zwischenwelt wider: teils amerikanisches Storytelling, teils Berliner Schärfe, teils Herzschmerz, teils Schabernack.

Er ist ein Paradoxon, verpackt in Pro Tools: Ein Vater, der Furzlieder schreibt, um seine Töchter zum Lachen zu bringen, Ein Partner, der Teammeetings plant, während er Überraschungsdates organisiert, Ein Romantiker, der immer noch glaubt, Musik sei ein Weg zur Intimität — und ja, vielleicht sogar eine Möglichkeit, sie kennenzulernen. Sie wissen schon… sie.

Lieder schreiben, um Mädchen zu beeindrucken (und andere edle Bestrebungen)

Lassen wir uns nichts vormachen: Kesselhaut ist sexy.

Nicht auf die polierte, PR-sichere, radiotaugliche Art. Sondern auf die echte, „Ich-habe-einiges-durchgemacht-und-ich-will-dich-immer-noch-etwas-fühlen-lassen“-Art. Die Wahrheit ist, Adam nutzt Musik auf die gleiche Weise, wie viele von uns Dating-Apps nutzen: als Versuch, eine Verbindung herzustellen, gesehen zu werden, etwas Elektrisierendes zu entfachen.

Er hat es selbst zugegeben (vielleicht nicht offiziell, aber wir sind Klang Revolution — wir kennen den Mann): Lieder schreiben ist auch eine Form der Verführung. Kein billiges Aufreißer-Zeug — nein. Wir sprechen von der subtilen, langsam brennenden Art der Verführung. Die Art, die mit Zuhören einhergeht. Mit Empathie. Mit Verletzlichkeit. Mit Groove.

Musik als Spiegel, Magnet und Liebesbrief.

Der Kesselhaut-Sound

Wie klingt das Album?

Stellen Sie sich Elliott Smith vor, wenn er nicht gestorben wäre. Stellen Sie sich Father John Misty vor, wenn er Kinder hätte und weniger Ironie. Stellen Sie sich Leonard Cohen vor, aber mit Bowie großgezogen und für Berlin gemacht.

Kesselhaut ist ein Wirbel aus akustischer Ehrlichkeit, lyrischer Präzision und einer Art nächtlicher, geständnishafter Coolness. Es gibt Raum in diesen Liedern — für Traurigkeit, für Humor, für Scham, für Freude. Man hört den Vater, den Liebhaber, den Wanderer, den Typen, der wahrscheinlich wieder die Reste vom Abendessen seiner Kinder um 22:30 Uhr aufgegessen und sich dafür gehasst hat, während er bereits eine Strophe darüber entwarf.

Diese Lieder tragen die Fingerabdrücke von jemandem, der jedes Wort gelebt hat. Manchmal schmerzhaft. Manchmal spielerisch. Immer wahrhaftig.

Das moderne Liebeslabor

Adam singt nicht nur über Liebe. Er lebt sie — in all ihrer Komplexität.

Er ist in einer modernen Beziehung, die gleichzeitig eine Geschäftspartnerschaft ist. Er erzieht zwei Töchter, eine im Kindergarten, eine gerade alt genug, um ihm frech zu kommen. Er tanzt zwischen Verlässlichkeit und Leichtsinn. Und er weiß, dass er nicht alles für jeden sein kann — aber er versucht es trotzdem.

In vielerlei Hinsicht ist Kesselhaut ein Tagebuch eines modernen Mannes, der Männlichkeit auf seine eigene Weise neu erfindet. Nicht das Klischee des „netten Kerls“ und auch nicht die Karikatur des Alpha-Männchens. Etwas Echteres. Etwas Unordentlicheres. Etwas, das es wert ist, gehört zu werden.

Die Geister von Bernd Bridges

Wenn Sie Adams tiefere Geschichte kennen, dann kennen Sie Bernd Bridges — eine fiktive Schöpfung, die zu einem lebendigen Projekt wurde, das wir beide mit zum Leben erweckt haben. Eine psychedelische Komödie, eine plattformübergreifende Erzählung und ein Zeugnis für die Kraft der Vorstellungskraft, die in jeden Teil des Lebens überfließt.

In gewisser Weise war Bernd eine Möglichkeit, das zu sagen, was Adam noch nicht als er selbst sagen konnte. Kesselhaut ist die andere Seite dieser Medaille. Dies ist kein Charakter mehr. Dies ist der Vorhang, der zurückgezogen wird.

Und das ist es, was es revolutionär macht.

Die Revolution wird Vater sein

Am Ende gibt es ein Thema, das Kesselhaut zusammenhält: die Vaterschaft — nicht nur die Handlung, sondern auch die Philosophie.

Adam predigt nicht über Elternsein. Er tut nicht so, als hätte er alles herausgefunden. Er ist da. Er singt mit seinen Kindern. Er trainiert ihre Fußballmannschaft. Er isst die Reste und bereut es. Er meditiert. Er versucht es erneut.

Vaterschaft in Kesselhaut bedeutet nicht Opfer — es bedeutet Inspiration. Es ist das Warum hinter dem Was. Und es gibt dem Album seinen Schwerpunkt. Mittendrin in all der romantischen Spannung, dem künstlerischen Ehrgeiz und den hungrigen nächtlichen Träumen gibt es immer eine durchgehende Linie: Wie kann ich meinen Kindern zeigen, wie ein erfülltes Leben aussieht?

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